Extremwetter: Am Donnerstag vor Turnierbeginn schlug die extreme Hitze richtig zu – über 38 Grad, die je gemessene Temperatur in Hameln. Glücklicherweise musste keine Qualifikation bei solchem Extremwetter stattfinden. Aber auch während des gesamten Turniers war es durchgängig viel zu heiß – Zuschauer auf der Suche nach den (zu wenigen) Schattenplätzen und Aufgaben von Aktiven in den ersten Runden u.a. aufgrund von Kreislaufproblemen waren die Folge. Wie geht es weiter mit dem Turnier bei solchen Bedingungen? Regen gab es seit Jahren nicht mehr bei den Open, in der Halle ausgetragene „Ausweichspiele“ – zu Anfangszeiten des Turniers fast die Regel – schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Zu große Hitze aber gibt es nun fast in jedem Jahr. Schon 2018 brutzelten Spieler und Zuschauer unter sengender Sonne, in den Jahren davor war es auch meist warm oder heiß. 2019 war es noch heißer und schlimmer. Und 2020…?
Als Reaktion auf die brutale Hitze stand bereits beim vorangehenden LK-Turnier am Mittwoch ein Planschbecken am Rande des Clubhauses (Foto), zur Erfrischung zumindest der qualmenden Füße. Einige Spielerinnen gingen aber gleich komplett im Tennisdress baden (Foto). Mehrere Sonnenschirme als bisher sorgten zumindest partiell für Schatten. Wenn es aber einen Wunsch für 2020 der Turnierverantwortlichen gibt, dann dieser: Bedeckt, kein Regen, nur 25 Grad.
Comeback: Lasse Muscheites, Champion des Jahres 2012 - damals erst 16 Jahre alt und somit bis heute jüngster Sieger des Hamelner Turniers aller Zeiten –, war nach langer Pause wieder an Töneböns Teichen am Start. Mit einer DTB-Ranglistenplatzierung jenseits der 600 wohlgemerkt. Woher kommt das? Ganz einfach: Muscheites hat fünf Jahre lang in den USA gelebt und studiert, dort viel Collegetennis, aber eben keine DTB-Ranglistenturniere gespielt, „nur ein paar Punktspiele“. Dass es der heute 23jährige noch kann, bewies er bei seinen deutlichen Siegen in der 1. und 2. Runde. Gegen Turnierfavorit Stefan Seifert ging es dann aber bereits im Achtelfinale zwar knapp in zwei Sätzen, aber eben letztlich dennoch mit den erneuten Titelhoffnungen zu Ende.
Ebenfalls nichts mit dem 6. Titel wurde es für Rekordsieger Christopher Koderisch (Foto, beim Abholen seines Preisgelds mit Turnierleiter Markus Rosensky). „Toto“ versuchte im Viertelfinale zwar wieder alles, zauberte und zeigte jeden Schlag seines umfangreichen Repertoires, war aber schlicht und einfach zu sehr außer Form. Oder, wie wann es sehen will – zu wenig im Training. „Dies war erst mein zweites Turnier in diesem Jahr“, gab der 34jährige zu, „ich habe einfach viel zu wenig Match- und Turnierpraxis“. Nächstes Jahr wäre er nach drei Jahren Pause wieder „dran“, denn zwischen seinen fünf Titeln lagen meist drei Jahre: „Ich trainiere jetzt auf jeden Fall und werde nächstes Jahr fitter wiederkommen“, versprach er.
Talent: Halbfinalistin Noma Noha Akugue vom Marienthaler THC war mit 15 Jahren die jüngste Teilnehmerin im Damenfeld – und aufgrund ihrer DTB-Ranglistenposition von 53 bereits an Nummer 3 gesetzt. Gegen Titelverteidigerin Shaline Pipa schien sich ein enges Match auf Augenhöhe zu entwickeln – bis sich das Jungtalent verletzte und leider aufgeben musste. Die dunkelhäutige Linkshänderin dürfte indes am Anfang einer großen Karriere stehen: Noma Akugue, deren Eltern aus Nigeria stammen, wurde in Hamburg geboren, war mit 11 Jahren dort jüngste Bezirksmeisterin aller Zeiten und gilt als Ausnahmetalent. Die 15jährige möchte Profi werden und ist im Perspektivkader des DTB. Bereits vor zwei Jahren wurde die damals 13jährige in Kiel überlegen U16-Landesmeisterin und gewann in Bremen im Club zur Vahr ihr erstes, mit 1000 Euro dotiertes Damenturnier.
Schiedsrichter Karsten Tänzer war zum zweiten Mal bei den Open am Start. Der routinierte Mann aus Dresden überzeugte wie bei seiner Turnierpremiere im Vorjahr durch eine klare Linie, eindeutige Ansagen und Entscheidungen sowie organisatorischen Durchblick. Da es auch auf persönlicher Ebene zwischen ihm und der Turnierleitung sowie Oberschiedsrichterin Sibylle Schillig bestens funktioniert, dürfte auch zukünftigen Einsätzen nichts im Wege stehen.
Orakel: Wieder mal lag unser „Vereinsgastronom“ Vassilis Tataridis mit seinen Prognosen für den Turniersieg und die Finalteilnehmer genau richtig. „Press gewinnt das Turnier, im Finale gegen den jungen Calvin“, meinte „Vasili“ vor den Halbfinalspielen, in denen viele Fans noch auf Titelverteidiger Stefan Seifert tippten. Auch bei den Damen lag er richtig – hier war allerdings der Tipp auf Lea Gasparovic und Shaline Pipa nicht so „gewagt“ wie im Falle der Herren.
Wiederholt gern gesehene Gäste gab es in diesem Jahr zahlreich unter den Aktiven. Mit Stefan Seifert, Torben Otto, Rekordgewinner Christopher Koderisch und Lasse Muscheites waren bei den Herren ehemalige Sieger oder Finalisten am Start. Bei den Damen waren es mit Shaline Pipa, Marie-Charlott Lonnemann, Carina Litfin, Lea Gasparovic, Derya Turhan sogar noch mehr. Abwesend war in diesem Jahr Rekordgewinnerin und (eigentlich) Dauerteilnehmerin Manon Kruse. Die inzwischen 39jährige ist amtierende Ü-35-Weltmeisterin (!) und weilt derzeit in China. Allerdings nicht auf Turnieren, sondern beruflich. Da musste das Hamelner Turnier ausnahmsweise hintenanstehen.
Neuerungen: In diesem Jahr gab es einige Veränderungen beim Hamelner Traditionsturnier. Dazu gehörte die Vergrößerung des Herrenfeldes von 32 auf 64 Spieler – bei den Damen hatte es nicht genug Meldungen für ein doppelt so großes Feld gegeben. Wegen der erforderlichen zusätzlichen Matches waren Plätze in Afferde und Emmerthal als Ausweichcourts dazu genommen worden. Neu war auch die Begrüßung der Vertreter der Stadt und aus der Politik vor dem Damenfinale am Sonntag und nicht, wie bisher, fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Freitagmorgen. Dem Ruf folgten die Ratsherren Gerhard Paschwitz (CDU) und Hans-Wilhelm Güsgen (FDP) sowie Bundestagsabgeordneter Johannes Schraps (SPD). Last but not least konnte auch die neue Vereinsgastronomie vom „SW19“ mit Wirtin Annika Rösemeier-Pawar, Chefkoch Jogesh Pawar und „Mama“ Karin Rösemeier am Grill (Foto) neuem Gastrokonzept und erweitertem Speisenangebot Aktive und Zuschauer überzeugen.
Cord Wilhelm Kiel