Das Wetter war gut, die Zuschauer zahlreich, die Stimmung wie immer bestens: Die Jubiläumsnummer „30“ bei unserem Ranglistenturnier DTHOpen hielt, was sie versprach. Zwar gab es im Vorfeld Zweifel und auch leichte Enttäuschung, weil keine wirkliche „Jubiläumsparty“ zu Stande gekommen war und die Meldelisten kurz vor Turnierbeginn bei weitem nicht so umfangreich waren wie angesichts von 10.000 Euro Preisgeld erwartet. Das Turnier jedoch war dann wieder aller Mühen und aller Ehren Wert, denn es gab hochklassiges Tennis, viel Spannung, eine frohe, fast herzliche Atmosphäre bis hin zu den Siegerehrungen – und zufriedenen Gesichter allerorten.
Dazu gehörte sicherlich auch, dass das Wetter anno 2016 endlich einmal nicht brütend heiß war wie so oft in den letzten Jahren. Um die 20 Grad, bedeckt – Zuschauer und Aktive brauchten keine Sonnenbrillen, Schattenplätze oder Luftfächer. Und auch die Wespen, im vergangenen Jahr eine fürchterliche Plage, ließen das Turnier diesmal in Ruhe.
Es war also eigentlich „alles in Butter“ für Turnierdirektor Jens Biel, die Turnierleiter Dr.Axel Rojczyk und Markus Rosensky, für Oberschiedsrichterin Sybille Schillig und die vielen anderen Helferinnen und Helfer, die erneut tagelang fast rund um die Uhr im Einsatz waren (vielen Dank wieder einmal an all diese lieben Menschen, ohne die unser Turnier in dieser Form nicht möglich wäre!!). Dass es trotzdem Gesprächsbedarf gibt, lag unter anderem daran, dass das Junior-Open im Vorfeld so schwach besetzt war wie noch nie, etliche Konkurrenzen, unter anderem alle Mädchen-Tableaus, abgesagt werden mussten und damit diese vor noch gar nicht so vielen Jahren eingeführte Nachwuchsveranstaltung nach stets abnehmenden Anmeldezahlen in den letzten Jahren komplett zur Disposition steht. Immerhin gab es aber mit Duy, der auf unserer Anlage zu wohnen scheint (so oft und fleißig trainiert er) einen Sieger aus unserem Verein, was dann doch wieder eine schöne Konsequenz der eben geschilderten Situation war.
Herren: Lokalmatadoren und Gesangseinlage
Kommen wir nun aber zum eigentlichen Turniergeschehen. Bei den Herren war reichlich Lokalkolorit im Teilnehmerfeld vertreten (siehe auch DTH-Open-Geflüster). Mit Marcel Baenisch zog zum ersten Mal seit vielen Jahren ein Hamelner Akteur ins Viertelfinale des Turniers ein. Dort setzte es allerdings eine deutliche Niederlage gegen Florian Lemke.
Marcel war sicherlich als klarer Außenseiter in dieses Match gestartet, aber „heute ging wirklich gar nichts“ sagte unser Jüngstenwart und Spitzenspieler (er wurde kurz darauf eindeutig Regionsmeister) enttäuscht. Das stimmte zwar, aber bis dorthin hatte Marcel ein super Turnier gespielt und über ihm in der Deutschen Rangliste platzierte Spieler, darunter sogar den an Nr. 8 gesetzten Pelle Boerma, geschlagen.
Ein Trost für Marcel Baenisch dürfte im Nachhinein auch gewesen sein, dass er gegen den späteren Turniersieger das Nachsehen hatte. Florian Lemke war überhaupt die Geschichte dieses Turniers. Der Sieger von 2005, der als Junior zur erweiterten Weltspitze (Rang 14 der Junioren-Weltrangliste) gehört hatte. Der dann keine Lust verspürte, 12 Monate im Jahr allein um die Welt zu reisen, um hinter einer gelben Filzkugel herzujagen, und auf eine viel versprechende Profikarriere verzichtete. Der anschließend nach Amerika ging, dort studierte und nun bald als Gymnasiallehrer für Englisch und Sport arbeiten wird. Der nur noch die Turniere spielte, die ihn wirklich interessierten, so wie die DTH-Open. Und der durch einen Auftritt als Sänger auf der Spielerparty 2005, dem Jahr seines Triumphs, vielen Mitgliedern und Gästen unvergessen ist.
„Wenn ich nochmal gewinne, singe ich wieder für Euch – alles was ihr wollt“, versprach der 32jährige vor dem Semifinale. In diesem traf Lemke auf den topgesetzten Jannik Rother, der im Vorjahr als einziger Akteur dem Weltklassespieler und späteren Sieger Alexander Lazov wenigstens halbwegs Paroli bieten konnte. Rother war in diesem Jahr der große Favorit, aber Florian Lemke besiegte die Nummer eins des Turniers nach hartem Kampf letztlich doch souverän. Im zweiten Halbfinale setzte sich der 21jährige Philipp Scholz gegen Rekordsieger Christopher Koderisch überraschend deutlich durch. Koderisch war von vielen wieder im Finale erwartet worden, er galt auch als Geheimtipp für den Turniersieg – es wäre sein fünfter gewesen. Gegen Scholz agierte er allerdings viel zu passiv und kam gegen seinen mutig und aggressiv aufspielenden Kontrahenten nie richtig ins Spiel. Der Sieg für Scholz war letztlich hoch verdient.
Im Endspiel sah es dann lange Zeit nach einem ungefährdeten Triumph für Philipp Scholz aus. Der jüngere Spieler dominierte seinen baumlangen (2,04 Meter) Gegner, ließ ihn viel laufen und spielte auch offensiver. Ab Mitte des zweiten Satzes änderte Florian Lemke jedoch sein Spiel, griff mehr an und spielte damit seine Reichweite und seine Stärken besser aus. Es war erkennbar, welches Potential in Lemke, der kurz vor seiner Examensprüfung als Gymnasiallehrer stand, steckt – und zu was er vielleicht fähig gewesen wäre, hätte er als junger Mann den Weg eines Tennisprofis eingeschlagen. Lemke drehte das Spiel, siegte und präsentierte bei der Siegerehrung dann tatsächlich seine
Gesangskünste (Florian hat Erfahrungen als Sänger in Chören und auch in einer Heavy- Metal-Band!): Michael Jacksons „Man in the Mirror“ schmetterte der DTH-Open-Sieger 2016 a capella vor einer begeisterten Zuschauerkulisse. Sein Auftritt kann noch heute bei Facebook auf der Seite unseres Turniers bewundert werden.
Damen: Klasse-Endspiel und Tränen
Zu den größten Wünschen der Turnierleitung vor dem Beginn der Konkurrenzen gehörte ein spannendes Damenfinale – zu einseitig waren die Endspiele in dieser Konkurrenz in den letzten Jahren verlaufen. Und dies bekamen Zuschauer und Offizielle auch geboten. Das Finale war sogar so spannend, dass der Zeitplan am Finaltag mächtig durcheinandergebracht wurde. Das Herrenfinale wurde um über eine Stunde nach hinten verschoben, glücklicherweise waren die Finalisten damit einverstanden und sogar zufrieden, denn so hatten Damen und Herren die volle Aufmerksamkeit der wieder zahlreichen Zuschauer.
Das Finale der Damenkonkurrenz war aber nicht nur hochklassig, sondern auch extrem spannend und zeigte, dass ein Match erst dann zu Ende ist, wenn wirklich der allerletzte Punkt gespielt ist. Denn die spätere Siegerin Carina Litfin (Bremerhavener TV) lag einen Satz und deutlich im zweiten Durchgang zurück, hatte Matchball gegen sich, drehte dann aber das Match – und gewann. Mit Litfin siegte die topgesetzte Spielerin, ihre Finalgegnerin Lea Gasparovic (Blau-Weiß Aachen) war die Nummer 2 des Turniers. Beide rangieren in der DTB-Rangliste direkt hintereinander – Litfin auf Rang 29, Gasparovic auf Position 30. Mehr Spannung geht nicht, was auch im Finale deutlich wurde. Beide Kontrahentinnen gönnten sich nichts und lieferten einen unglaublich engen und intensiven Kampf auf Augenhöhe.
Dass die jüngere Spielerin – Lea Gasparovic ist erst 19, Carina Litfin 24 Jahre alt – trotz hoher Führung letztlich „nur“ zweite Siegerin wurde, liegt wohl an der erheblich größeren Erfahrung und Abgeklärtheit ihrer Gegnerin, die den Angriff der Jugend gerade noch abwehren konnte und sich sichtlich über ihren Triumph freute. Hoffentlich sehen wir beide Spielerinnen nächstes Jahr wieder, denn beide – vor allem natürlich Gasparovic – dürften ihren Leistungszenit noch nicht erreicht haben. Die übrige Konkurrenz hatten beide bis dahin klar beherrscht und bis zum Finale keinen Satz abgegeben.
Rückblick und Ausblick
Der Finaltag war spielerisch und von der Spannung her der beste seit vielen Jahren. Alle waren sich am Ende wieder einig: Auch die 30. DTH-Open waren ein Erfolg! Zu einer ehrlichen Bewertung gehört jedoch auch eine kritische Betrachtung. Und hier muss man leider sagen, dass sich die Turnierverantwortlichen durch die Erhöhung des Preisgelds auf 10.000 Euro doch ein zumindest nominell stärkeres und auch von der Zahl der Gemeldeten her größeres Teilnehmerfeld erwartet hatten. Nach der geringen Resonanz auf das Junior- Open waren sowohl die Anzahl der Meldungen als auch die Platzierungen der Aktiven in der Herrenkonkurrenz nicht ganz so, wie dies (vor allem nach der extrem hochklassigen Meldeliste im letzten Jahr) erwartet worden war.
Dass das Turnier dann doch keine Wünsche offen ließ, ist das positive Fazit. Dass mehr Geld nicht noch mehr und noch bessere Spieler lockt, das negative – was aber auch an der geradezu törichten Terminplanung innerhalb der deutschen Tennisverbände liegt, die zeitgleich eine Reihe ähnlicher Turniere, Begegnungen der 2. Bundesliga und weitere Konkurrenzen stattfinden lassen. Auf diese Art und Weise fördert man nicht den Tennissport, sondern schadet ihm, weil engagierte, ehrenamtlich arbeitende Vereine und Veranstalter ausgebremst werden, sich gegenseitig die besten Spieler abspenstig machen und letztlich alle dadurch geschadet werden. In den Fokus der Öffentlichkeit bringt man Tennis so gewiss nicht. Wenn man zudem bedenkt, dass wenige Tage zuvor ein Einzelfinale mit deutscher Beteiligung (der zweitbesten Tennisspielerin der Welt!) in Wimbledon stattgefunden hatte, das nicht im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen und somit nur einem Bruchteil der deutschen Öffentlichkeit zugänglich war, braucht man nicht länger darüber nachzudenken, warum die Boomzeiten vorbei sind und Tennis eben nicht mehr die Rolle spielt wie zu Zeiten von Boris Becker, Steffi Graf und Michael Stich. Vielleicht sollten wir uns aber auch alle noch einmal fragen, was wir für unseren Sport, unseren Verein und unsere gemeinsame Sache „mehr“ leisten können. Denn die beabsichtigte Feier anlässlich 30 Jahren DTHOpen musste leider entfallen, da sich niemand aus unserem großen Verein dazu bereit erklärt hatte, diese zu organisieren. Mehrere Aufrufe unseres Vorsitzenden, u.a. in diesem Heft an exponierter Stelle (Grußwort), blieben ohne Resonanz. Also gab es keine Sommer- oder Spielerparty wie früher,
als gerade dieses Element ein sehr schöne Abrundung des Turniers darstelle. Schade.
Was bleibt, ist die Hoffnung für ein noch besseres Turnier 2017. Das Preisgeld wird wohl in dieser Höhe bestehen bleiben, vielleicht beweisen ja im nächsten Jahr der DTB und seine Landesverbände endlich einmal Durchblick und Klarsicht bei der Aufstellung der Turnierpläne. Vielleicht können wir die Party zum Jubiläum ja einfach nachholen. Vielleicht wird aber auch der Termin unseres Turniers anders ausgerichtet; in diesem Jahr sorgte die Ansetzung genau in der Mitte der Sommerferien dafür, dass nicht genug Ballkinder vor Ort waren – die meisten Kinder unseres Vereins waren in Urlaub. Turnierleitung und Organisatoren werden sich darüber ausgiebig Gedanken machen und sicherlich gute Lösungen finden, wie das bisher immer gelungen ist. Wir können uns also auch auf tolle 31. DTH-Open freuen – wann und wie, werden wir bald wissen.
Cord Wilhelm Kiel