Same procedure as every year – diesen Spruch des Silvesterklassikers „Dinner For One“ könnte man mit einem kleinen Augenzwinkern und leicht abgewandelt auf das 2014er Turnier ummünzen: Die 28. DTH Open 2014 in Hameln waren zumindest in den Finalrunden wieder einmal westfälische Festspiele. Erneut siegte bei den Damen Titelverteidigerin Manon Kruse, nach längerer Pause holte sich den Sieg in der Herrenkonkurrenz wieder einmal Christopher Koderisch.
Und dennoch gab es anno 2014 etwas ganz Besonderes: Seit diesem Turnier gibt es bei den Damen und den Herren zwei alleinige Rekordsieger – eben Kruse und Koderisch. Die Rekordteilnehmerin und nun siebenmalige Finalistin Kruse holte sich ihren dritten Titel. Damit hat sie einen Titel mehr als Claudia Steinmeyer, Kristina Barrois, Martina Müller und Sandra Nötzel, die jeweils zweimal gewinnen konnten. Noch einen „Pott“ mehr hat Christopher Koderisch in seiner Sammlung: Der 29jährige triumphierte zum vierten Mal – und damit einmal mehr als André Torggler, der vor über einem Vierteljahrhundert dreimal in Serie gewinnen konnte. Zudem behält Koderisch seine „weiße Weste“: Jedes Finale bei diesem Turnier gewann er auch. Wenn er bei diesem Turnier verlor, dann im Halb- oder Viertelfinale.
Bei den 28. DTH-Open gab es wieder einmal klasse Tennis und in diesem Jahr besonders viele Überraschungen und Favoritenstürze zu sehen. So schieden die Nummer 1 bei den Damen sowie der an Position 2 gesetzte Spieler der Herrenkonkurrenz, Vinja Lehmann und Dominik Bartels, bereits mehr oder weniger sang- und klanglos in der ersten Runde aus. Nach dem ersten Turniertag hatte sich insgesamt fast die Hälfte aller gesetzten Spieler aus dem Turnier verabschiedet.
Klassiker im Halbfinale
Einen „Tennis-Klassiker“ gab es im Herren-Halbfinale. Dort gewann Christopher Koderisch ein Match, das wohl in die Annalen des Turniers eingehen wird: Der Seriensieger lag gegen Christian Cremers (Club Zur Vahr) schon aussichtslos zurück. 0:6, 1:5 und 15:40 stand es aus Sicht des Tennislehrers, der quasi „nebenbei“ immer noch für Blau-Weiß-Halle in der zweiten Mannschaft aktiv ist. Zwei Matchbälle also gegen sich, und bis zu diesem Zeitpunkt war nichts, aber wirklich gar nichts im Spiel von Koderisch zusammengelaufen. Cremers dagegen hatte bis zu diesem Zeitpunkt souverän und mit einer Mischung aus Offensive und kontrolliertem Spiel agiert.
Mit seiner ganzen Routine wehrte Koderisch die Matchbälle ab – und schaffte es dann tatsächlich, dieses Match noch zu drehen, indem er fortan wirklich wie ein „Tennislehrer“ die Bälle nur noch auf die Seite seines Gegners herüber schubste. Links, rechts, fast alles mit Slice und kaum mit Geschwindigkeit. Cremers, der bislang in großem Maße von Koderischs Fehlern gelebt hatte, schlug zweimal zum Matchgewinn auf – und machte aus diesem Vorteil nichts. Im Gegenteil, er schob den Ball fast noch vorsichtiger zurück und spielte trotz der haushohen Führung mit einem Mal völlig ohne „Mumm“ und Selbstvertrauen.
Schön anzusehen war das Match daher nicht gerade, aber unglaublich spannend. Koderisch holte Spiel um Spiel auf und gewann den zweiten Satz im Tie-Break. Im entscheidenden Matchtiebreak schien sich das Blatt dann wieder zu wenden: Cremers führte mit 7:2 und wirkte wieder selbstsicherer. Aber irgendwie schien bei dem Jurastudenten aus Bremen an diesem Tag die Angst vor dem Gewinnen übermächtig zu sein: Wieder agierte er viel zu passiv, wieder holte Koderisch auf – und verwertete seinen ersten Machtball zum Sieg. Nicht überraschend brach bei Christian Cremers daraufhin die gesamte Enttäuschung Bahn – der Schläger flog, Cremers vergrub sich minutenlang unter seinem Handtuch. Das war nur allzu verständlich – wer kann angesichts eines solchen Matches denn noch cool bleiben?
Preisgeld erhöht
Neu war bei den 28. DTH-Open auch, dass das Preisgeld deutlich angehoben wurde – statt 5.500 Euro gab es insgesamt 7.000 Euro zu gewinnen. Eine Steigerung, von der sich die Organisatoren erhofften, dass diese noch bekanntere Tenniscracks auf die Zehnfeldanlage an Töneböns Teichen locken würde. Nun, dies war in diesem Jahr (noch) nicht wirklich der Fall – aber das Feld war dennoch gut besetzt. Für 7.000 Euro Spieler in die Region zu locken, die weit vorn in der Weltrangliste rangieren, dürfte illusorisch sein. Die „ganz großen Namen“ werden daher auch in Zukunft nicht in Hameln aufschlagen. Das mögen manche bedauern oder gar kritisieren, die meisten Zuschauer sind aber mit dem derzeitigen Status zufrieden – denn das gebotene Tennis ist bereits auf diesem Niveau top. Zudem bleibt das Turnier familiär und überschaubar, und dies wird von Seiten der Spieler sehr geschätzt. Finalistin Sina Niketta beispielsweise sagte auf die Frage zu einer weiteren Preisgelderhöhung: „Das Turnier sollte so bleiben, wie es ist. Der Rahmen ist genau richtig, so kommen deutsche Spieler aus der erweiterten Spitze, keine Spieler aus dem Ausland.“ Sollten die DTH Open tatsächlich international werden, müsste Englisch als zweite Turniersprache eingeführt werden – und die Spieler, die dann antreten würden, wären mit Sicherheit unbekannter als die deutschen Cracks, die mitunter schon seit vielen Jahren immer wieder gern zum Turnier kommen.
Die Sieger bekamen in diesem Jahr 1400 Euro, die Finalisten 700 Euro. Als Hauptsponsoren fungierten in diesem Jahr die Stadtsparkasse Weserbergland, die Volksbank Hameln-Stadthagen sowie die VGH Versicherungsgruppe. Zudem kommen viele weitere Sponsoren, die mit Geld- oder Sachspenden dafür sorgen, dass unser Turnier auch in Zukunft erhalten werden kann. Diesen Sponsoren sei an dieser Stelle noch einmal herzlich und ausdrücklich gedankt.
Kein Geld bekamen die Helfer hinter den Kulissen. Die Turnierleitung arbeitet ehrenamtlich und lag erneut in den Händen von Axel Rojczyk und Markus Rosensky, die von Vereinschef Roman von Alvensleben, Cord Wilhelm Kiel, Dieter Rathgeber, Ernst Wahle und Daniel Weigelt unterstützt wurden. Turnierdirektoren waren Jens Biel und André Malke, Oberschiedsrichterinnen wie immer Christiane Meyer und Sybille Schillig. Am Grill leisteten unter anderem Frank Seidel, Tenny und Benno Wunderlich sowie (Name???) Klapproth Schwerstarbeit – vor dem Finaltag musste von der Fleischerei Dutschke, die das Turnier seit Jahren beliefert, noch einmal nachgeordert werden, und am Ende war praktisch alles lecker gegrillt und verzehrt worden. Seit dem letzten Jahr sorgt eine tennishistorische Ausstellung dafür, dass auch in Matchpausen für Zeitvertreib gesorgt ist.
Begeisterndes Herrenfinale
Beim Herrenfinale waren in diesem Jahr so viele Fans wie wahrscheinlich noch nie zuvor bei diesem Turnier anwesend. Ihnen wurde – quasi als Dankeschön – eins der besten Herrenendspiele überhaupt in der Turniergeschichte geboten. Anstelle von ermüdendem Grundliniengebolze (was es in den letzten Jahren oft in den Finalspielern gab – schnell und athletisch, aber irgendwie auch monoton) sahen die Zuschauer Tennis vom Feinsten, bei dem alle Schläge aus dem Lehrbuch (und auch darüber hinaus) geboten wurden. Es gab Power, Gefühl, Topspin, unterschnittene Schläge und Grundlinienduelle ebenso wie Serve and Volley, Chip und Charge, Stoppbälle, Lobs, akrobatische Volleys oder Passierbälle aus schier aussichtsloser Position. Ein Genuss, der zeigte, was beim Tennis alles möglich ist – und dass vielleicht von Seiten der Tennisschulen einmal darüber nachgedacht werden sollte, den Kindern auch andere Schläge beizubringen als Vorhand- oder Rückhand-Topspin bzw. Grundlinientennis. „Wie lange haben wir schon keine Volleystopps und keinen Vorhand-Slice mehr gesehen?“ fragten sich einige Zuschauer und beklatschten die vielen spektakulären Ballwechsel.
„Verantwortlich“ für dieses tolle Finale waren die beiden Akteure, der bereits erwähnte neue Rekordsieger Christopher Koderisch und sein Gegner und Vereinskollege Lennart Zynga. Letzterer ging, an Nummer 1 gesetzt und als Nummer 45 der Deutschen Rangliste bei diesem Turnier mit Abstand am höchsten positionierte Spieler – als klarer Favorit ins Endspiel. Er selbst fühlte sich allerdings in dieser Favoritenrolle unwohl: „Kodos Spiel liegt mir nicht, und ich habe gegen ihn bei einem offiziellen Turnier noch nie gewonnen“. Allerdings lag das letzte Match bei einem Turnier schon längere Zeit zurück, denn Koderisch spielt schon seit einigen Jahren nur noch ein sehr reduziertes Turnierpensum und konzentriert sich in seiner Arbeit als Tennislehrer hauptsächlich auf die Ausbildung jugendlicher Talente.
Daher wurde er vor diesem Turnier nur noch auf Rang 130 der Deutschen Rangliste geführt – für ihn, der viele Jahre lang unter den ersten vierzig Spielern in Deutschland positioniert war, blieb daher im Finale nur die Außenseiterrolle. Die nutze er dann aus, um mit 6:3, 6:4 vom Ergebnis her recht deutlich zu gewinnen. Dennoch war das Match knapp. Ab dem Ende des ersten Satzes hatte Koderisch aber gefühlt die Partie unter Kontrolle, durch sein extrem variables Spiel ließ er seinen Gegner nie in dessen Rhythmus kommen. Hinzu kam, dass Lennart Zynga unerwartet viele Vorhandfehler unterliefen und dieser Schlag, mit dem er die Vorrunden diktiert hatte, im Finale nicht so richtig effektiv war. Wenn eine Vorhand „kam“, erkannte sein Trainer Koderisch oft schon vorher die Richtung und kam dank seiner enormen Beweglichkeit noch an den Ball heran. Keine Frage: Der Finalsieg war hoch verdient.
Manon Kruse mit Liebeserklärung an die DTH-Open
In der Damenkonkurrenz war Manon Kruse auch in diesem Jahr eine Titelkandidatin. Erst recht, nachdem bereits in der ersten Runde die erwähnte Topfavoritin Vinja Lehmann bereits die Segel gestrichen hatte, lief alles auf das erwartete „Traumfinale“ zwischen der routinierten Kruse (33) und der jungen Herausforderin Sina Niketta (20) heraus. Kruse, die seit über einem Jahrzehnt bei den DTH-Open aufspielt, konnte 2013 nach vier Finalniederlagen endlich ihren zweiten Titel gewinnen – und legte gleich ein Jahr später mit dem dritten Triumph nach.
Leider mangelte es der Damenkonkurrenz ein wenig an Spannung, denn nach dem frühen Aus etlicher gesetzter Spielerinnen zogen Manon Kruse und Sina Niketta weitgehend ungestört ihre Kreise. Beide dominierten die verbliebene Konkurrenz nach Belieben. Daher wurde auch ein knappes, spannendes Endspiel erwartet. Dies gab es dann aber leider doch nicht. Zu deutlich diktierte Kruse das Match, zu viele Fehler unterliefen der Newcomerin. Vor allem der Aufschlag ließ sie im Finale vollkommen im Stich, Doppelfehler folgte auf Doppelfehler. Somit entschied Kruse das Endspiel mit 6:4, 6:1 klar für sich. Richtig zufrieden mit ihrem Spiel war sie dennoch nicht – „wir können beide viel besser spielen, als wir es heute gezeigt haben“, meinte sie bei der Siegerehrung, „das war irgendwie ein komisches Finale“.
Für die Teilnahme an den DTH-Open hatte Manon Kruse sogar auf einen Start bei den Deutschen Meisterschaften der Damen 30 verzichtet – und das, obwohl dieser Titel, der deutlich mehr Prestige mit sich bringt als ein Turniersieg in Hameln, seit einigen Jahren zu den großen Zielen der sympathischen Sportlerin zählt. Die Begründung für ihre Entscheidung für Hameln lieferte sie in einer kleinen Ansprache bei der Siegerehrung gleich mit: „Das Turnier, der Rahmen, die Zuschauer hier in Hameln, es gibt für mich nichts Schöneres“. „Unsere“ Open sind und bleiben Manons Lieblingsturnier, das machte sie in ihrer „Liebeserklärung“ an das Turnier und die Beteiligten vor Ort deutlich. Und sie setzte sogar noch einen drauf: „Wenn ich nicht so weit weg wohnen würde, wäre der DTH bestimmt mein Verein, und ich würde hier in einer Mannschaft spielen“. Starke, rührende Worte, die für mehrfachen herzlichen Applaus der rund zweihundert Zuschauer beim Damenendspiel sorgten.
Wetter spielte mit
Wieder waren das DTH-Open-Junior-Turnier und die „Jüngsten“-Open den „regulären” DTH-Open vorgeschaltet. Gespielt wurde in den drei Altersklassen U 12, U 14 und U 16. Es wurden insgesamt fünf Konkurrenzen (inklusive Nebenrunden) ausgespielt. Alle Tableaus der Junior Open (und auch des „Erwachsenenturniers“) sind unter folgendem Link zu finden: http://www.dthameln.de/DTH-OpenJunior/2014/index.html. Ganz viel Applaus bekam unser Nachwuchs am Finaltag: Die Ballkinder, trainiert von Jugendwart Ernst-August Wahle, erledigten ihre Aufgabe hervorragend. worden. Ohne Probleme verlief auch weitgehend die zeitplanmäßige Durchführung des Turniers, denn das Wetter hielt: Trotz Unwetterwarnungen konnten die „Open“ bis auf einen kleinen Regenguss am Sonnabend durchgespielt werden – die Schlechtwetterfront kam er punktgenau eine Stunde nach Turnierende auf. So kann es bleiben – allerdings sorgten die schwülwarmen Temperaturen vereinzelt für Unwohlsein. Außerdem fühlten sich einige Aktive von gleichzeitig zu ihrem Match per Lautsprecher durchgeführten Spielervorstellungen gestört. Diese ausführlichen Ansagen sind seit einigen Jahren ab dem Halbfinale eine lieb gewonnene Tradition, die eigentlich noch mehr Flair in das Turnier bringen und vor allem die Akteure bei den Zuschauern bekannter machen soll. Hier wird die Turnierdirektion zu entscheiden haben, ob am Zeitplan, am Personal oder in der Durchführung im nächsten Jahr Veränderungen anstehen.
Nach einem insgesamt begeisternden Turnier waren sich alle Verantwortlichen einig: Die DTH-Open haben auch ohne den leider inzwischen wieder aufgelösten „Weserbergland-Circuit“ Zukunft. Die Vorbereitungen für 2015 beginnen in Kürze. Wird es eventuell auch etwas Neues geben? Es gab schon einmal Überlegungen, die bei den Zuschauern sehr beliebte Jungseniorenkonkurrenz wieder zu beleben und ein Turnier der Herren 40 mit in die Konkurrenzen aufzunehmen. Auch wurde früher eine Doppel- oder Mixed-Konkurrenz ausgespielt – hier gab es in der jüngeren Vergangenheit auch heimische Sieger. Abwarten und Tee trinken (oder etwas anderes) – und dann auf Wiedersehen im Sommer 2015 auf der Anlage des Deutschen Tennisvereins Hameln!
Cord Wilhelm Kiel