Die alljährlichen Fahrten des DTH zu den Gerry Weber Open in Halle/ Westfalen gehören zu den festen Terminen des Tennisjahres und zu den lieb gewonnenen Traditionen unseres Vereins. Wohl kaum zuvor einmal war jedoch der Besuch unserer „Delegation“, die mit über 50 Leuten eine wirklich „große Runde“ darstellte, so erinnerungswürdig wie in diesem Jahr. Denn es gab nicht nur Spitzentennis auf schnellem Rasen zu sehen – das ist in jedem Jahr so – sondern zwei der größten Tennisspieler aller Zeiten und eine deutsche Tennislegende live in Aktion zu erleben.
Die Fahrt nach Halle findet jedes Jahr am Turnier-Donnerstag statt. Dies ist der „Family Day“ des Turniers, den man auch auf gut Deutsch „Familientag“ nennen könnte. Das Besondere an diesem Tag ist, dass Vereine Kartenkontingente für die Galerie (also die oberen Ränge) des Centre Court zu besonders günstigen Preisen erhalten können. Auf diese Weise war es möglich, für nur 35 Euro – inklusive Busfahrt, Verpflegung, Getränken, Kaffee und Snacks – einen ganzen Tag Spitzentennis zu erleben, ohne sich um irgendetwas kümmern zu müssen (außer vielleicht, pünktlich zur Abfahrt auf dem DTH-Parkplatz zu erscheinen).
Das Problem an dem Donnerstagtermin ist allerdings, dass viele Berufstätige diesen nur schwer wahrnehmen können. Dass es in Ausnahmefällen doch einmal möglich ist, seine Dienstpläne zu verlegen bzw. Termine umzulegen, um bei den Gerry Weber Open dabei zu sein, zeigt dieser Bericht – denn mir selbst war dieser ereignisreiche und unvergessliche Tag auch nur auf diesem Wege möglich. Wie gut, dass es geklappt hat, denn es gab in Halle eindrucksvolle Spiele und Spieler zu sehen.
Als erstes sahen wir die Partie zwischen Philipp Kohlschreiber und Lukasz Kubot. Der deutsche Daviscupspieler mit den großen Formschwankungen (in der Regel spielt er bei kleinen Turnieren gut, bei den Grand Slams schlecht) gegen einen 21jährigen Jungstar aus Polen also. Kohlschreiber sollte bei diesem Turnier noch groß aufspielen, den Topgesetzten eliminieren und das Halbfinale erreichen – diese Achtelfinalpartie hielt allerdings spielerisch nicht, was sie versprach. Dafür war es aber spannend, Kohlschreiber gewann in drei Sätzen. Da es jedoch kaum spektakuläre Ballwechsel gab, erkundeten viele aus unserer Gruppe die Anlage und die vielen Verkaufsstände, aßen zu Mittag oder genossen die typischen Erdbeeren mit Sahne. Wer sich das parallel stattfindende Doppel auf Platz Nummer 1 anschaute, bereute dies nicht, denn hier boten vier Doppelstrategen der Weltklasse (u.a. Julian Knowle und Scott Lipsky) ein abwechslungsreiches und rasantes Spiel.
Auf dem Centre Court stand als nächstes Match die Achtelfinalpartie von Tommy Haas an. Den heute 34järhigen hatte ich genau 15 Jahre zuvor an gleicher Stelle bei seinem ersten Auftritt bei den Gerry Weber Open erlebt. Nun, im Herbst seiner Karriere, bot der Wahlamerikaner bei seinem vielleicht letzten Gastspiel in Westfalen noch einmal ganz großes Tennis. Die wohl für längere Zeit letzte deutsche Tennislegende im Herrenbereich entzauberte den auf Platz 21 der Weltrangliste eingestuften Spanier Marcel Granollers glatt in zwei Sätzen und bot dabei begeisterndes Angriffstennis. Haas´ gute Form zeigte sich dann auch im weiteren Verlauf des Turniers: Drei Tage später hatte „Tommy“ die Gerry Weber Open zum zweiten Mal nach 2009 gewonnen und in einem hochklassigen Finale niemand Geringeren als Roger Federer bezwungen.
Roger Federer? Ja, auch den bereits zu Lebzeiten legendären Schweizer erlebten wir in Halle. Ähnlich wie Haas ist Federer mit seinen knapp 31 Jahren wohl nicht mehr sehr lange in Aktion zu bewundern. Umso schöner war es, dass wir ihn in einem begeisternden und sehr knappen Match gegen Florian Mayer, die deutsche Nummer 1, beobachten durften. Der 16malige Grand Slam- und 20fache Masters Series-Champion, der immer noch auf Rang 3 der Weltrangliste rangiert und amtierender Tennis-Weltmeister ist, musste gegen den frech und variabel aufspielenden Mayer alles geben und gewann mit 6:4 , 7:5. „Gegen viele Spieler hätte ich in meiner heutigen Form gewonnen“, resümierte Mayer beim anschließenden Interview auf dem Centre Court, „aber gegen den vielleicht besten Spieler aller Zeiten reichte es doch nicht“.
Wer der beste Spieler aller Zeiten ist, bleibt sicherlich diskussionswürdig, einen weiteren Anwärter auf diesen Titel hatten wir jedenfalls zuvor schon im dritten Einzel des Tages erleben dürfen: Rafael Nadal, gerade erst 26 Jahre alt geworden und schon 11 Grand Slam- sowie 21 Masters Series-Titel schwer. Der Spanier hatte drei Tage vor seinem ersten Match in Halle zum siebten Mal die French Open gewonnen und sich damit endgültig unsterblich gemacht. In Halle war der mit links spielende Weltranglisten-Zweite an eins gesetzt, hatte aber in seinem Match gegen den starken Slowaken Lukas Lacko im ersten Satz große Probleme mit der Umstellung von Sand- auf Grasplatz. Nach dem knappen 7:5 kam Nadal aber ins Rollen. Der zweite Satz (6:1) war eine Demonstration der Extraklasse des Mallorquiners. Eine Runde weiter war allerdings Endstation, Nadal unterlag für uns alle, die wir die Spiele an diesem Tag verfolgt hatten, überraschend gegen Philipp Kohlschreiber.
Der Dank aller Teilnehmer dieser erinnerungswürdigen Fahrt nach Halle gebührt den Organisatoren Markus Rosensky und Ernst Wahle. Auch Ute Klapproth, Marion Baltrusch und Christiane Seidel, die uns während der Busfahrt mit Kaffee, Sekt bzw. verschiedenen Süßigkeiten versorgten, sei an dieser Stelle nochmals sehr herzlich gedankt. Nach diesem Tag voller Spitzentennis bleibt nur das Fazit: Auf geht´s nach Halle – auch anno 2013!
Cord Wilhelm Kiel